Austausch
Auf
nach Bolivien Campus
u. Karriere, 25.08.2008, Von Géraldine Lakermann, Der Duisburger Abiturient Felix Piecha fliegt in dieser Woche nach La Paz, wo
er sein "Freiwilliges Soziales Jahr" verbringen wird. Er weiß,
dass er protziges Auftreten vermeiden und gut auf sich aufpassen muss. Felix
Piecha war 15, als er wusste: "Ich will weg!" Nicht, dass er es zu Hause
nicht gut hätte. Aber irgendwas fehlte ihm hier in Deutschland. In Lateinamerika,
da wollte er es suchen. Felix bewarb sich bei der Austauschorganisation American
Field Service (AFS) für ein Auslandsjahr. Nun ja, es wurden dann doch die
Vereinigten Staaten. Vier Jahre später, erfüllt sich sein Traum. Und
zwar ausgerechnet im ärmsten Land Südamerikas - Bolivien. "Mir
ist klar, dass ich ganz automatisch einen gewissen Reichtum herzeige, allein dadurch,
dass ich mir das Flugticket leisten kann", sagt der Duisburger Abiturient.
"Ich muss halt aufpassen, dass ich nicht so protzig auftrete." Der 19-Jährige
wird sein Freiwilliges Soziales Jahr, seinen Wehrersatzdienst, in der Millionenstadt
La Paz ableisten. Je näher der Termin rückt, desto nervöser werden
seine Eltern. Felix selbst will sich nicht kirre machen lassen. Er tauscht regelmäßig
E-Mails aus mit Freiwilligen, die gerade dort sind. "Man muss wissen, dass
man nicht mit der Kreditkarte herumwedeln sollte, das Europäer in manchen
Taxen ausgeraubt werden. So lange ich nicht in die gefährlichen Viertel gehe,
sollte das gut gehen." Auch
wenn es samt Vorbereitung in Deutschland mit zwölf Monaten länger dauert
als Zivil- oder Wehrdienst - der blonde Junge mit dem entspannten Lachen ist begeistert
von den Möglichkeiten, die sich ihm durch das "FSJ" im Ausland
bieten. "Bundeswehr - ich komm mit dieser Institution nicht klar. Befehlen,
gehorchen, nee." Lieber macht er sein eigenes Ding. In
La Paz wird sich Felix um Neuankömmlinge und Austauschwillige im Nationalbüro
des AFS kümmern. "Es gibt viele, die erst einmal einen Kulturschock
bekommen", weiß er aus seiner Arbeit mit internationalen Gastschülern
in Deutschland. "Dafür bin ich dann da." Er soll also die Völkerverständigung
fördern. Doch die erste Herausforderung wird sein, selbst die Völker
zu verstehen: Felix hatte zwar zwei Jahre Spanisch in der Schule, aber gut spricht
er die Sprache längst nicht; von den anderen beiden, indigenen Amtssprachen
Quechua und Aymará ganz abgesehen. 72 Prozent der Bevölkerung des
multiethnischen Landes Bolivien sind indigen. Erst
einmal wird er also die Einführungsseminare auf Englisch leiten und dann
bald auf Spanisch umschwenken. Das lernt man schnell im Land, glaubt er, solange
man sich nicht sein eigenes Ghetto aufbaut. "Es ist eine Gefahr, dass man
zu viel Zeit mit den anderen Ausländern verbringt", weiß er noch
von seinem Amerika-Jahr. Aber schon damals hat er sich davor gehütet. "Ich
kann mir noch nicht wirklich vorstellen, was mich erwartet", gibt Felix zu.
Aber er ist sehr neugierig, "wie der Mix aus traditioneller und spanischer
Kultur funktioniert." Zudem liegt La Paz auf 4000 Metern Höhe. Vom Dach
der Stadt bis zur Ebene sind es 1000 Meter Unterschied, das muss auch körperlich
bewältigt werden. Sein Favorit war eigentlich Argentinien, doch das wurde
von AFS nicht angeboten. Warum überhaupt Südamerika? Eher Bauchgefühl
denn Vernunftentscheidung. "Ich habe viele südamerikanische Freunde
hier, die sehr locker und aufgeschlossen sind. Zudem ich natürlich das Spanische
wertvoll." Eine
Gastfamilie hat Felix noch nicht gefunden. "In Bolivien können die meisten
Leute sich das gar nicht leisten, ehrenamtlich zu arbeiten", sagt er. Trotzdem
ist es Prinzip der Austauschorganisation, dass die Leute, die ihn aufnehmen, Kost
und Logis aus eigener Tasche bezahlen: "Die sollen das nicht wegen des Geldes
machen." Aber bis zu seiner Ankunft am 26. August werde sich auch das geregelt
haben, meint er zuversichtlich. Heimweh
- das erwartet Felix nicht. Er kennt das ja schon, auch wenn es damals, in Amerika,
"um Weihnachten rum etwas komisch war". Er hat sowieso viel vor, will
in seinem Urlaub durch Bolivien reisen, Kurse an der Uni belegen. Wenn er wieder
zurück ist, will er in Heidelberg Medizin studieren. Und dann? "Später
noch mal nach Afrika - das wär' was."
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